Clarius.LegalNewsroom
- 22.11.24
- Lesedauer: 4 Minuten
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik
Berichtspflichten zwischen CSRD, NFRD und LkSG
Am 26.09.2024 leitete die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der Nichtumsetzung der Corporate Social Sustainability-Richtlinie (RL (EU) 2022/2464) ein. Die 18- monatige Umsetzungsfrist endete im Juni dieses Jahres. Die Bundesregierung beschloss daraufhin im Juli einen Regierungsentwurf, welcher sowohl von Seiten des Bundesrates als auch Unternehmensverbänden auf breiten Widerstand stieß. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch offen, wann eine Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht erfolgt und worauf genau sich Unternehmen in welchem Zeitraum einstellen müssen. Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick über die aktuell geltenden ESG- Berichtspflichten sowie einen Ausblick auf Reformen durch den nationalen Gesetzgeber ermöglichen und die wichtigsten News zur Corporate Social Sustainability liefern.
Was gilt aktuell?
Aktuell bestehen aufgrund eines erfolglosen Verstreichens der Umsetzungsfrist zahlreiche Unsicherheiten bzgl. der aktuellen ESG- Berichtspflichten für das Geschäftsjahr 2024. Klar ist zunächst, die CSRD- Richtlinie ist als solche nicht direkt anzuwenden. Insbesondere begründet auch die Nichtumsetzung durch den deutschen Gesetzgeber keine unmittelbare Direktwirkung der Richtlinie zulasten von Unternehmen.
Bis zur Umsetzung ins nationale Recht gelten somit insbesondere die Berichtspflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, worüber wir bereits an anderer Stelle informiert haben (Das Lieferkettengesetz: Verantwortung für die gesamte Lieferkette; Lieferkettengesetz: Kein Auftrag ohne Nachweis der Menschenrechte) und die der Non-Financial Reporting Directive „NFRD“ (RL (EU) 2014/95) über deren Umsetzung im HGB. Dabei gibt es zwischen den Berichtspflichten nach der CSRD- Richtlinie und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz Überschneidungen, was auch das BAFA veranlasste, die Abgabefristen für LKSG -Berichte zu verlängern.
Daneben wird auch aus Regierungskreisen vermehrt zumindest angedeutet oder klar befürwortet, die Berichtspflichten nach dem LkSG zumindest bis zur Umsetzung der CSRD auszusetzen (Wie geht es weiter mit dem Lieferkettengesetz? | tagesschau.de; Robert Habeck will Lieferkettengesetz überraschend aussetzen). Dies ändert jedoch bislang nichts daran, dass das LkSG aktuell weiter Berichtspflichten normiert. Auch die aktuellen Pflichten aus der NFRD gelten über die HGB- Normen aktuell weiter. Zugleich sollten sich Unternehmen auf eine mögliche Rückwirkung des Umsetzungsgesetzes zur CSRD- Richtlinie für das Geschäftsjahr 2024 vorbereiten. Diese erscheint aufgrund des Ablaufs der Umsetzungsfrist nicht ausgeschlossen, da sich Unternehmen insoweit wohl auf kein entgegenstehendes Vertrauen berufen können dürften.
Was soll nach der CSRD- Richtlinie zukünftig gelten?
Mit der CSRD- Richtlinie weitet der europäische Gesetzgeber die mit der NFRD- Richtlinie 2014 geschaffen Pflichten weiter aus. Die zentralen Neuerungen sind dabei die Ausweitung der berichtspflichtigen Unternehmen sowie neue einheitliches Standards betreffend die Berichtspflichten.
1. Neue Größenkriterien:
Mit der CSRD- Richtlinie soll nun eine Ausweitung des Kreises der Verpflichteten erfolgen. Danach sollen „große“ Unternehmen ungeachtet der Kapitalmarktorientierung verpflichtet werden. „Groß“ ist danach ein Unternehmen, welches eine Bilanzsumme von 25 Mio. EUR, Nettoumsatzerlöse über 50 Mio. EUR oder eine durchschnittliche Anzahl Beschäftigter 250 überschreitet. Zudem sind nun auch „KMU“ im bilanzrechtlichen Sinne berichtpflichtig, wenn diese kapitalmarktorientiert sind und nicht unter die Ausnahme für Kleinstunternehmen fallen. Dabei soll der Kreis von Unternehmen ab dem Berichtsjahr 2024 sukzessive erweitert werden beginnend mit den Unternehmen, die bereits der Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung unterliegen. Ab Januar 2025 folgen dann alle „großen“ Unternehmen und schließlich kommen dann am 2026 kapitalmarktorienteierte „KMU“ hinzu.
2. Einheitliche Standards der Kommision:
Mit der CSRD- Richtlinie sollen erstmals verbindliche Berichtsstandards auf europäischer Ebene eingeführt werden, um die Beaufsichtigung und deren Digitalisierung zu erleichtern (CSRD Erw. 37, 2. UAbs.). Im Dezember 2023 hat die Kommission deshalb im Wege einer delegierten Verordnung die ESRS („European Sustainability Reporting Standards“) veröffentlicht. Diese müssen als Verordnung nicht ins nationale Recht umgesetzt werden, sondern gelten unmittelbar. Die Standards werden in der Anlage I ESRS wie folgt kategorisiert:
– Bereichsübergreifende Standards (ESRS 1, ESRS 2)
– Umwelt (ESRS E1- E5)
– Soziales (ESRS S1- S4)
– Unternehmensführung (ESRS G1)
Im Rahmen von ESRS 1 sind die allgemeinen Anforderungen und nach ESRS 2 sind allgemeine Angaben geregelt. Auf einer allgemeinen Ebene ist danach ein Bericht in Bezug auf alle wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte in den Berichterstattungsbereichen Governance, Strategie, Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen sowie Parameter und Ziele vorzulegen. Dagegen besteht betreffend die weiteren Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung eine Berichtspflicht, wenn nach der durchzuführenden Analyse ein Nachhaltigkeitsaspekt als wesentlich einzustufen ist.
Die oben genannten Nachhaltigkeitsthemen (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) müssen dabei darauf untersucht werden, a.) welche Auswirkungen das berichtende Unternehmen auf diese Bereiche nach außen hat und b.) welche finanziellen Auswirkungen dieselben Themen auf das Unternehmen haben. Entsprechend dem Ergebnis der Analyse müssen sich dann die Berichte nach den jeweiligen Standards richten (z.B. nach ESRS E2- 4 zu den Themen Thema Luft- Wasser oder Bodenverschmutzung). Die neuen Standards sind im Einzelnen äußerst umfangreich, sodass an dieser Stelle nicht im Einzelnen auf diese eingegangen werden kann.
Ausblick
Ob die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens zu einer Beschleunigung beim „Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung führt“, bleibt abzuwarten. Obwohl Unternehmen insofern gewissen Unsicherheit ausgesetzt sind, bestehen bereits anhand der Richtlinie zahlreiche Möglichkeiten sich auf das „Ob“ und das „Wie“ der neuen Berichtspflichten vorzubereiten. Das BMJ gab bekannt, die Regelungen möglichst 1:1 in das nationale Recht umzusetzen (Infopapier_CSRD_UG.pdf) und insbesondere nicht über die nunmehr bekannten Verpflichtungen hinauszugehen. Zu diesem Zwecke soll auch ein Ersetzungsrecht für die Berichtspflicht nach dem LkSG kommen, sofern eine Berichterstattung nach der CSRD erfolgt und so eine Doppelung der Pflichten vermieden werden kann.
Die neuen ESG- Berichtspflichten werden einen sehr viel größeren Kreis an Unternehmen erfassen als die bisherigen Regelungen zum „non financial reporting“ und aufgrund der nunmehr detailliert Anforderungen nach den ESRS einen erheblichen finanziellen und administrativen Mehraufwand erfordern. Es ist somit höchste Zeit, zu prüfen ob und welche Pflichten ab wann für das eigene Unternehmen gelten.
CLARIUS.LEGAL verfügt über langjährige Erfahrung in Compliance- Themen und berät sie gerne zu den verschiedenen ESG-Berichtspflichten, um so eine möglichst kostensparende und rechtssichere Umsetzung zu ermöglichen.