Neues aus Brüssel:Die EU-Lieferketten-Richtlinie

Ein großer Teil von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden wird durch den Wirtschaftsbereich verursacht. Die Europäische Antwort hierauf lautet Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz doch nicht minder sperrig: EU-Lieferkettenrichtlinie oder CSDDD / CS3D. Haben Unternehmen in der EU mehr als 1.000 Mitarbeitenden und 450 Millionen Euro Umsatz trifft sie nun eine deutlich verschärfte Pflicht zum aktiven Menschenrechts– und Umweltschutz. Sie werden zur Kontrolle der sozialen aber auch ökologischen Wirkungen ihrer erweiterten Lieferkette und des eigenen Geschäftsbereichs verpflichtet. Die nun von einer Mehrheit der EU-Länder beschlossene Richtlinie verschärft damit die bisher in Deutschland geltende Rechtslage. 

Die EU-Lieferketten-Richtlinie in Kürze

Was sind die sozialen und ökologischen Auswirkungen unserer Lieferkette? Dieses Frage müssen sich Unternehmen zukünftig zusätzlich zu den übrigen Herausforderungen des Wirtschaftslebens stellen. Die EU-Lieferketten-Richtlinie (häufig auch als Lieferkettengesetz bezeichnet) normiert hierzu eine umfassende Eigenanalyse der gesamtem Wertschöpfungskette. Eigene Produkte und Dienstleistungen müssen genauso wie direkte und indirekte Lieferanten untersucht und die Ergebnisse sowie getroffene Maßnahmen dokumentiert werden. Darüber hinaus müssen Unternehmen ihre Umsetzung der Lieferkettenrichtlinie auch jährlich veröffentlichen. 

Angesichts der weitreichenden Auswirkungen für EU-Unternehmen ging der Gesetzgebungsprozess mehr als zügig vonstatten: Nachdem im Februar 2022 die EU-Kommission ihren Vorschlag einer Richtlinie bezüglich der Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit vorgestellt hatte, wurde im Dezember 2023 die Einigung auf einen Entwurfstext zwischen Parlament und Rat mitgeteilt. Dieser erweitert die Sorgfaltspflicht der Unternehmen über den Umweltschutz hinaus maßgeblich auf den Bereich der Menschenrechte. Verantwortung stärken, Auswirkungen unternehmerischen Handelns mindern sind die erklärten Zielrichtungen des Entwurfs.  

Dieser stieß jedoch wegen der weitreichenden Pflichten für Unternehmen und des bürokratischen Aufwandes auf Kritik zahlreicher EU-Staaten. Als Deutschland auf Druck der Koalitionspartei FDP eine Stimmenthaltung für die geplante finale Abstimmung im Februar 2024 ankündigte, wurde diese durch die belgische Ratspräsidentschaft ausgesetzt. Jedoch besteht nach einhelliger Meinung kein Zweifel daran, dass die „EU-Lieferketten-Richtlinie“ bzw. „Corporate Sustainability Due Diligence Directive” (kurz: CSDDD oder CS3D) beschlossen werden wird. Auch an der notwendigen Zustimmung im April / Mai 2024 durch das EU-Parlament besteht kein Zweifel.  

Für Unternehmen bedeutet dies, dass von folgendem Zeitplan für die Geltung der neuen Regelungen auszugehen ist. Nach Inkrafttreten der Richtlinie im Mai / Juni 2024 erfolgt die gestufte Umsetzung in nationales Recht: 2026 müssen die Europäischen Staaten die EU-Lieferketten-Richtlinie in ihr nationales Recht umgesetzt haben. Für Deutschland wird dies eine Anpassung des bestehenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) bedeuten. Im Jahr 2027 wird die Richtlinie für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern (und mehr als 1,5 Milliarden EUR Umsatz) verbindlich. Es folgen 2028 Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern (und mehr als 900 Millionen Umsatz) und 2029 Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Verschärfung des Deutschen LkSG

Für Deutschland bringt die EU-Lieferketten-Richtlinie eine deutliche Verschärfung der Rechtslage mit sich. Das bisherige LkSG bleibt nämlich trotz seines hohen Standards hinter den Regelungen der EU-Lieferketten-Richtlinie zurück. Zentral sind hier die Ausdehnung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht auf die gesamte Wertschöpfungskette und die Einführung der zivilrechtlichen Haftung für Rechtsverletzungen zu nennen.

Rechtsformen der verpflichteten Unternehmen

Der einzige Bereich, in welchem die EU-Lieferketten-Richtlinie hinter dem LkSG zurückbleibt, ist der Kreis der betroffenen Unternehmen. Dieser ist deutlich klarer definiert als im LkSG, welches einen rechtsformneutralen Unternehmensbegriff verwendet. Dahingegen definiert die EU-Lieferketten-Richtlinie einen Anwendungsbereich nach Rechtsformen und Unternehmensgrößen. Anwendbar ist das LkSG somit zukünftig für Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien. Unabhängig von der Rechtsform wird sich die Wirkung auch auf Versicherungsunternehmen und regulierte Finanzunternehmen erstrecken.

Nun „Aktivitätskette“ statt „Lieferkette“

Die EU-Lieferketten-Richtlinie führt den neuen Rechtsbegriff der sog. „Aktivitätskette“ ein und geht damit in seinem Anwendungsbereich deutlich über das LkSG hinaus. Dieses bürdet Unternehmen nur eine Verantwortung für „unmittelbare“ Zulieferer in der „Lieferkette“ auf. Nur ausnahmsweise erstreckt es sich auf die Verantwortung gegenüber mittelbaren Zulieferern nämlich bei begründeten Kenntnissen über deren Pflichtverletzungen des LkSG. 

Ganz anders und deutlich weitreichender ist die durch die Aktivitätskette begründete Verantwortlichkeit, weshalb richtigerweise auch von „EU-Aktivitätsketten-Richtlinie“ die Rede sein müsste. Diese unterteilt sich in zwei zentrale Bereiche unternehmerischen Handelns: Das Handeln vorgelagerter und nachgelagerter Geschäftspartner und Dienstleister. Die Verantwortlichkeit für vorgelagerte Dienstleister umfasst das hochkomplexe Gefüge des Handelns von Zulieferern auf allen Ebenen wirtschaftlicher Betätigung. Sei es die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen, die Herstellung und Entwicklung von Produktteilen oder die Erbringung von sonstigen Dienstleistungen. Dies ist denknotwendig so weitreichend und umfassend, dass Unternehmen im Regelfall nunmehr auch die Verantwortung für das Handeln mittelbarer Lieferanten trifft. 

Weniger komplex, jedoch vom Ansatz her neuartig ist die durch die EU-Lieferketten-Richtlinie eingeführte Verantwortlichkeit für nachgelagerte Geschäftspartner, also die Produktvermarktungskette. Werden Dienstleistungen direkt oder indirekt für ein Unternehmen erbracht, so ist dieses nach dem zukünftigen LkSG auch hierfür verantwortlich. Dies sind typischerweise Vertriebs- und Beförderungstätigkeiten oder die Entsorgung und Produktrücknahme.  

Die EU-Lieferketten-Richtlinie erstreckt sich somit vom Bereich der direkten / indirekten Lieferanten über die eigene Geschäftstätigkeit (auch von Tochtergesellschaften) bis hin zur Vermarktung und Entsorgung des Produktes.

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Schutzbereich Menschenrechte und Umweltschutz

Zusammen mit der Einführung der weitreichenden Aktivitätskette erweitert die EU-Lieferketten-Richtlinie auch den bisherigen Schutzbereich der Menschenrechte und Umweltgüter nach dem LkSG. Hierzu erfolgt eine konkrete Auflistung in der Anlage zur Richtlinie. Für Unternehmen verbleibt es jedoch auch nach der EU-Lieferketten-Richtlinie bei der zentralen Prüffrage, die sich Unternehmen stellen können: „Wenn wir heute eine Pressekonferenz geben müssten: Können wir mit gutem Gewissen das Handeln unseres Unternehmen und unserer Zulieferer in Bezug auf die beteiligten Menschen und Umweltgüter rechtfertigen?“

Sorgfaltspflichten der EU-Lieferketten-Richtlinie

Die sich aus der EU-Lieferketten-Richtlinie ergebenden Sorgfaltspflichten für Unternehmen erschließen sich am einfachsten über die OECD-Leitsätze für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln. Dieses wurden von der Richtlinie übernommen und lasen sich in folgende, sechs Schritte gliedern: In einer ersten Phase erfolgt die Integration der Sorgfaltspflichten in das Unternehmenshandeln durch die Identifizierung problematischer Menschenrechts- und Umweltsituationen. Anschließend folgt die Bereitstellung von Abhilfemaßnahmen mit dem Ziel die nachteiligen Auswirkungen zu verhindern oder zu mildern. Dieses Handeln wird schließlich durch die Kommunikation der Maßnahmen nach innen und außen getragen.

Beschwerdeverfahren

Eine der größten Herausforderungen der EU-Lieferketten-Richtlinie bringt das neu gestaltete Beschwerdeverfahren mit sich. Zwar besteht dieses schon nach dem aktuellen LkSG, jedoch muss es sich zukünftig auf die gesamte Wertschöpfungskette beziehen. Dies bringt eine neue, sehr große Zahl potenziell beschwerdebefugter Personen und Instanzen mit sich. Alle an der gesamten Wertschöpfungskette beteiligten Privatpersonen sowie Gewerkschaften und andere Arbeitnehmervertreter sind nunmehr zugangsberechtigt. Sogar Organisationen, welche in durch die Wertschöpfungskette betroffenen Bereichen tätig sind, sind zur Beschwerde befugt.  

Dies führt zu der Verpflichtung der betroffenen Unternehmen, eine personell gut ausgestattete Beschwerdestelle einzurichten. Denn die von den Beschwerdeführern eingeforderten Abhilfemaßnahmen werden bewertet und umgesetzt werden müssen. Dabei wird die Unternehmensführung die Verantwortung jedoch nicht ganz auf diese auslagern können. Denn die Richtlinie sieht auch das Recht der Betroffenen vor, Vertreter der Unternehmen bezüglich ihrer Anliegen zu treffen. Der Beschwerdestelle wird damit eine Schlüsselposition im Unternehmen zukommen, welche über die Überwachung des LkSG hinaus auch mit der Pressestelle und dem Management die richtige Behandlung von Beschwerden organisieren muss.

Wie sieht so ein Beschwerdeverfahren aus?

Eines der relevantesten Elemente einer gesicherten Umsetzung des LkSG ist ein einwandfreies Beschwerdeverfahren. Unsere Rechtsanwälte haben die wichtigsten, zu beachtenden Punkte in einer Checkliste für Sie zusammengefasst.

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Wirksamkeitskontrollen, Überwachung, Berichtspflicht

Das Beschwerdeverfahren ist nur ein Teil des weitreichenden Pflichtenpaketes, welches Unternehmen zukünftig betreffend ihrer Aktivitätskette trifft. Die Richtlinie sieht auch eine turnusmäßige, jährliche sowie anlassbezogene Prüfpflicht für Unternehmen vor. Dazu müssen Indikatoren festgelegt werden, anhand derer die getroffenen Maßnahmen wie auch die generelle Wirksamkeit der definierten Standards eines Unternehmens nachgehalten werden. Die Prüfungen ziehen wiederum die Aufarbeitung und Analyse der Ergebnisse mit der Definition von Folgemaßnahmen nach sich. Dies bedeutet für Unternehmen zukünftig auch, dass neben dem Bewerten von konkreten Vorfällen bei Lieferanten auch die generelle weltpolitische Lage durchgehend zu überwachen und analysieren ist. 

Diese jährliche Überprüfung der Lieferkettensituation des Unternehmens geht mit einer Berichtspflicht einher. Nunmehr müssen Unternehmen eine jährlichen Bericht verfassen und veröffentlichen. In der Praxis wird diese Aufgabe nur in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Unternehmenskommunikation erfolgen können, um ein einheitliches Bild des Unternehmenshandelns nach Außen darzustellen.

Bevollmächtigter

Der „Menschenrechtsbeauftragte“ des LkSG wird durch die Richtlinie nunmehr durch eine „bevollmächtige Person“ zur Entgegennahme von Mitteilungen der Aufsichtsbehörden ersetzt. Dieser ist nunmehr verpflichtend einzurichten und ähnlich einem Datenschutzbeauftragten mit den notwendigen Befugnissen auszustatten. Zusätzlich verbleibt jedoch die Pflicht zur Umsetzung und Kontrolle der Pflichten der Richtlinie bei der Geschäftsführung. Damit wird eine, nur begrenzt zu delegierende, persönliche Verantwortlichkeit auch der höchsten Managementebene eingeführt. Damit soll die Wirksamkeit der Richtlinie erhöht werden, indem zumindest der Weg für eine persönliche Haftung der Geschäftsführung bereitet wird. Das persönliche Risko für die oberste Managementebene in Unternehmen wir durch diese Regelung erheblich gesteigert werden, hier ist die zukünftige Rechtsentwicklung genau zu beobachten.

Sanktionen und neue zivilrechtliche Haftung

Wie das LkSG auch, sieht die EU-Lieferketten-Richtlinie umsatzbezogene Geldbußen vor. Da diese jedoch von den jeweiligen Mitgliedstaaten zu regeln sein werden, dürfte der deutsche Gesetzgeber sich an den bestehenden, gleichsam weitreichenden, Sanktionsmöglichkeiten des LkSG orientieren. Das Verhalten von Unternehmen bei der Aufarbeitung von Verstößen findet bei der Bemessung der Sanktionshöhe nunmehr jedoch ausdrücklich Berücksichtigung. 

Neuland betritt die Richtlinie mit der Einführung eines zivilrechtlichen Haftungstatbestandes für die Verletzung der normierten Sorgfaltspflichten. Zwar muss dieser im jeweiligen, nationalen Recht auch umgesetzt werden, die sich hieraus ergebende Rechtsentwicklung wird in der Zukunft jedoch mit Spannung zu beobachten sein. Denn die Richtlinie selbst sieht nunmehr eine Haftung für die fehlende Verhinderung oder Beendigung potenzieller oder tatsächlich erfolgter, nachteiliger Auswirkungen des Unternehmenshandelns vor. Diese wird ihren Weg in die nationalen Gesetze zahlreicher EU-Länder finden. Dabei erstreckt sich die Haftung nach der Richtlinie auch auf das Handeln von Zulieferern und Tochtergesellschaften; selbst für indirekte Geschäftspartner ist ein – wenn auch abgeschwächter – Haftungsmaßstab vorgesehen. 

Zentraler Maßstab für die Haftung ist das Entstehen oder die fehlende Verhinderung nachteiliger Umwelt- und Menschenrechtsauswirkungen und ein sich daraus ergebender Schaden. Diese wiederum müssen sich aus der Nichtbeachtung der Sorgfaltspflichten nach der Richtlinie ergeben. Es ist bereits jetzt absehbar, dass sich aus dem Haftungsbestand neuartigen Konstellationen für Zivilprozesse ergeben werden, welche zukünftig viel Raum für aufwändige Verfahren mit zahlreichen internationalen Beteiligten bieten.

Empfehlung

Mit Verabschiedung der finalen Fassung der EU-Lieferketten-Richtlinie und dem klaren Zeitplan für Ihr Inkrafttreten besteht für die potenziell betroffenen Unternehmen dringender Handlungsbedarf. Denn die neuen Anforderungen gehen in vielen Teilen weit über die bestehende Rechtslage nach dem LkSG hinaus. Insbesondere der neuartige Begriff der Aktivitätskette führt zu der Notwendigkeit einer weitreichenden Neubewertung der aktuellen Lieferkettensituation von Unternehmen. Dies führt zusammen mit den neuen Haftungstatbeständen und der Vielzahl potentiell Schadensersatzberechtigter und neuer Akteure zu einer komplexen Haftungslage, deren Behandlung einen hohen Zeitaufwand erfordert.

Ein Lösungsansatz

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So stellen Sie eine effiziente, kostengünstige und juristisch vollumfängliche Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben sicher. Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen mit anwaltlicher Kompetenz und Erfahrung in allen relevanten Compliance-Themen zur Seite. Mit Legal-Tech-Lösungen sorgen wir für eine effiziente, gesamtheitliche Bearbeitung.

Ihr persönlicher Kontakt

Matthias SchulzSenior Sales Manager

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