Haftung für zufälligen Untergang oder Verschlechterung von Waren im E-CommerceÄndert sich etwas, wenn der Kunde eine sogenannte Abstellgenehmigung erteilt?

Zahlreiche Zustelldienste ermöglichen es Kunden inzwischen, dass sie Waren nicht mehr selbst annehmen müssen, sondern einen Ablageort angeben können, an dem der Zulieferer bestellte Waren hinterlegt. Wenn alles gut funktioniert, ist das für Zustelldienst und Kunden eine praktische Lösung, knifflig wird es jedoch, wenn das Paket laut Zulieferer am Ablageort hinterlegt wird, der Kunde es dort jedoch nicht auffindet. In solchen Fällen wenden sich Kunden in aller Regel an den Verkäufer, dessen Ware vermeintlich nicht eingetroffen ist. Und dann? Ist der Verkäufer dafür verantwortlich, dass die Ware bis in die Hände des Kunden gelangt? Ist die Verantwortung mit Aufgabe des Pakets auf den Zustelldienst übergegangen oder ist gar der Kunde selbst verantwortlich, wenn er dem Zustelldienst eine Abstellgenehmigung erteilt hat?

Wie so oft ist die Frage nicht für alle Fälle gleich zu beantworten. Grundsätzlich wird der Gefahrübergang beim Versendungskauf zunächst in § 447 BGB geregelt. Dort heißt es in Abs. 1. „Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Sache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort, so geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat.“ Damit spielt eine Abstellgenehmigung für diesen Fall zunächst keine Rolle. Die Gefahr geht grundsätzlich bereits mit der Übergabe der Sache an den Zustelldienst auf den Käufer über.

Anders sieht es allerdings aus, wenn es sich beim Käufer – wie im E-Commerce relativ häufig – um einen sogenannten Verbraucher (§ 13 BGB) handelt. Denn wenn ein Verbraucher beteiligt ist, kommt für den Verbrauchsgüterkauf die Vorschrift des § 474 BGB zur Anwendung und damit auch die Norm des § 475 Abs. 2 BGB: „§ 447 Absatz 1 gilt mit der Maßgabe, dass die Gefahr des zufälligen Untergang und der zufälligen Verschlechterung nur dann auf den Käufer übergeht, wenn der Käufer den Spediteur, den Frachtführer oder die sonst zur Ausführung der Versendung bestimmte Person oder Anstalt mit der Ausführung beauftragt hat und der Unternehmer dem Käufer diese Person oder Anstalt nicht zuvor benannt hat.“ – Die hier geschilderte Fallgestaltung dürfte in den meisten Fällen von Online-Einkäufen nicht gegeben sein: Nicht der Käufer beauftragt den Zustelldienst, sondern der Verkäufer. Die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung trägt damit beim Verbrauchsgüterkauf zunächst der Verkäufer, und zwar bis zur tatsächlichen Inbesitznahme der Ware durch den Käufer.
Trotzdem bleibt die Frage, welche Auswirkungen das Erteilen einer Abstellgenehmigung des Käufers gegenüber dem Zustelldienst auf den Gefahrübergang und damit ggf. auf den Kaufvertrag hat. Hierbei ist zu beachten, dass der Verkäufer auf solche Abstellgenehmigungen in der Regel weder Einfluss haben wird noch überhaupt Kenntnis davon erlangt – zumindest, solange es zu keinen Problemen bei der Auslieferung kommt. Eine solche Abstellgenehmigung hat vor dem Hintergrund der Relativität des Schuldverhältnisses keinerlei Auswirkung auf den Kaufvertrag an sich, deshalb ist der Verkäufer von den sich daraus ergebenden Problemen betroffen. Der Verkäufer kann bei einer erteilten Abstellgenehmigung seine weitere Einstandspflicht lediglich dann ablehnen, wenn er darlegen und beweisen kann, dass er die Ware an den Zustelldienst übergeben, der Kunde eine Abstellgenehmigung an den Zustelldienst erteilt hat und die Ware auch am Abstellort ohne äußere Beschädigungen abgelegt wurde. Das ist häufig mit hohem Aufwand verbunden. Denn die gesetzlichen Regelungen können zwar dazu führen, dass die Gefahr des Untergangs zum Zeitpunkt der Ablage am Wunschort auf den Käufer übergegangen ist, wenn der Käufer aber behauptet, dass keine Ablage am Wunschort erfolgt ist, muss der Verkäufer das Gegenteil beweisen und haftet weiter aus dem Kaufvertrag – entweder auf erneute Lieferung oder Erstattung des Kaufpreises. Bei der Beweisführung ist der Verkäufer auf die Zuarbeit des Zustelldienstes angewiesen. Nur dieser kann Auskunft über die Abstellgenehmigung geben und nachweisen, dass am Wunschort ausgeliefert wurde. Ist das nicht der Fall, könnte der Verkäufer lediglich im Innenverhältnis gegenüber dem Zustelldienst Regressansprüche geltend machen. Doch auch hier müsste der Verkäufer darlegen und beweisen können, dass der Zustelldienst für den Schaden verantwortlich ist. Die Beweissituation ist damit für den Verkäufer äußerst ungünstig und führt schlimmstenfalls zu Konflikten mit dem Käufer und auch mit dem Zustelldienst, was E-Commerce-Unternehmen immer bewusst sein sollte und ein sachgerechtes Claims Management unabdingbar macht.

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Matthias SchulzSenior Sales Manager

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