- 26.07.24
- Lesedauer: 5 Minuten
Das Lieferkettengesetz:Kein Auftrag ohne Nachweis der Menschenrechte
von Dr. Andreas Pagiela, Rechtsanwalt
Was ist der wahre Preis von Fast Fashion, günstigen Elektronikartikeln und Südfrüchten zu jeder Jahreszeit? Spätestens seitdem die Welt durch Social Media zusammenwächst, rückt die Frage nach den weltweiten Arbeitsbedingungen in den Fokus der Öffentlichkeit. Auch der Gesetzgeber hat das Thema Menschenrechte in Produktion und Lieferkette aufgegriffen, um Menschenrechte dort zu schützen, wo sie häufig verletzt werden.
In der Praxis wird die Würde des Menschen, aus der wir die Menschenrechte ableiten, leider immer wieder angetastet. Jetzt nimmt das LkSG (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) Unternehmen in die Verantwortung. Für ein vom LkSG betroffenes Unternehmen ist es jedoch gar nicht so einfach, seine weltweit tätigen Lieferanten auf Einhaltung der Menschenrechte zu überprüfen. In den meisten Fällen wird es nur möglich sein, die Lieferanten mit Fragebögen und Verpflichtungserklärungen nach dem LkSG zu prüfen und zu verpflichten. Dabei können Unternehmen im Regelfall nur die Antworten auf ihre Plausibilität prüfen. Wie weit diese Plausibilitätsprüfung geht und ob weitere Maßnahmen als Risikomanagement notwendig sind, das wird erst die zukünftige Rechtsprechung zeigen. Es ist gut denkbar, bei Großunternehmen auch eine Prüfung vor Ort notwendig wird und bei begründetem Verdacht die Zusammenarbeit beendet werden muss.
Wirtschaftliche Macht setzt LkSG durch
Die wirtschaftliche Macht eines Auftraggebers führt dazu, dass dieser auch weitere Nachweise oder Zugangsrechte von den Lieferanten fordern kann. Nach dem Grundsatz „Ohne Nachweise über Menschenrechte kein Auftrag“ stehen Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, wie sie ihre Lieferanten auf die Menschenrechtsthematik hin prüfen können. Die Grenze wird der Aufwand sein, den man betreiben will – und muss.
Hierfür gibt der § 6 IV LkSG eine klare Vorgabe: Das Unternehmen muss angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber einem unmittelbaren Zulieferer verankern. Dabei geht es im Kern um „die vertragliche Zusicherung eines unmittelbaren Zulieferers, dass dieser die von der Geschäftsleitung des Unternehmens verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert“.
Lieferkettengesetz: Was für Mittelständler gilt
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind als Lieferanten indirekt vom LkSG betroffen. Es ist jedoch ein anderer Bewertungsmaßstab vorzunehmen, etwa eine geringere Einflussnahme auf die Zulieferer, weshalb die Anforderungen des LkSG gemindert werden. Das zeigt das Abwägungsraster des LkSG in § 3 II:
Die angemessene Weise eines Handelns, das den Sorgfaltspflichten genügt, bestimmt sich nach
- Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens,
- dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher eines menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risikos oder der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht,
- der typischerweise zu erwartenden Schwere der Verletzung, der Umkehrbarkeit der Verletzung und der Wahrscheinlichkeit der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht sowie
- nach der Art des Verursachungsbeitrages des Unternehmens zu dem menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiko oder zu der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht.
Das Lieferkettengesetz legt also einen pragmatischen Prüfungsmaßstab an: Es verlagert die Fragestellung der Menschenrechtschutzstandards hin zu der Frage, in welcher Tiefe Unternehmen diese Standards prüfen und hierauf Einfluss nehmen können. Eine Ausnahme bilden hier nur schwerste Menschenrechtsverletzungen. Für Unternehmen geht es damit um eine Auseinandersetzung mit zwei Fragen:
- Welche Menschenrechtsstandards gelten in dem Land des Zulieferers generell und können als „durchschnittlich“ erwartet werden?
- Wo ist die Grenze, bei denen eine Unterschreitung der Standards nicht mehr hinnehmbar ist?
Dies erfordert eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Menschenrechtssituation in den einzelnen Ländern der Zulieferer und mit Menschenrechtsstandards insgesamt. Hier ist zumeist externe Kompetenz notwendig um rechtssicher zu handeln. Der Gesetzgeber hat einen für Unternehmen zumeist vollkommen neuen und nicht leicht zu erschließender Verantwortungsbereich eröffnet.
LkSG: Unternehmen in der Verantwortung
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist ein Ergebnis der Erkenntnis, dass die Politik allein Menschenrechte nicht umfassend durchsetzen kann. Im Wirtschaftsbereich führen Gewinninteressen häufig dazu, dass Menschenrechte verletzt werden. Deshalb hat man sich entschieden, hier Verantwortung auf die Wirtschaft im Wege einer Selbstkontrolle übergehen zu lassen. Tatsächlich lässt sich ein sehr großer Teil der Menschenrechtsverletzungen auf den Wirtschaftsbereich zurückführen – worauf die internationalen Menschenrechtsschutzsysteme durch ihren Fokus aus staatliches Fehlverhalten nicht ausgerichtet sind. Aus Sicht der Menschenrechte ist dies gewiss ein sehr guter Ansatz, jedoch birgt auch Nachteile: zum einen ist da der bürokratische Aufwand für Unternehmen, welche mit einem Mal einen vollkommen neuen Aufgabenbereich zugewiesen bekommen. Zum anderen darf Auslagern des Menschenrechtsschutzes auf den privaten Bereich nicht dazu führen, dass die Staatengemeinschaft diesen Bereich an private Unternehmen delegiert. Art. 1 des Grundgesetzes legt fest: Der Schutz der Menschenwürde ist die Pflicht aller staatlichen Gewalt.
Hohe Strafen bei Verstößen gegen das LkSG
Die Wirksamkeit des Lieferkettengesetzes soll nicht zuletzt durch einen wirksamen Sanktionsmechanismus gewährleistet werden: Es drohen drastische Sanktionen für Unternehmen, wenn sie die LkSG-Vorgaben beim Thema Menschenrechte nicht einhalten. Diese reichen vom Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge bis hin zu eine Strafe von bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes bei Unternehmen von über 400 Mio. Jahresumsatz.
Im Mittelfeld sind Geldbußen von 100.000 bis 500.000 Euro und schließlich bis zu 800.000 Euro vorgesehen. Wie so häufig werden Erstverstöße deutlich geringer geahndet – hier ist die Entwicklung in der Rechtsprechung der noch neuen Rechtsmaterie abzuwarten. Fest steht jedoch: Die Höhe der Bußgelder zeigt, dass es mit dem Menschenrechtsschutz nach dem LkSG vonseiten des Gesetzgebers ernst gemeint ist.
Positive Haltung zu Menschenrechten
Wie wahrscheinlich eine Änderung der Einstellung gegenüber den Menschenrechten in den kritischen Regionen durch das Lieferkettengesetz sein kann, wird eine der spannenden Fragen sein. Die Situation in anderen Ländern zu beeinflussen, ist – wie die Erfahrungen der Entwicklungshilfe gezeigt haben – eine sehr komplexe Thematik. Es ist äußerst schwierig vorherzusehen, welche Maßnahmen sich wie auswirken. Das hängt auch von zahlreichen individuellen Faktoren der Branchen und in den einzelnen Ländern ab. So zeigt das Beispiel der Mikrokredite diese problematische Situation. Sie galten lange Zeit als wirkungsvolles Mittel gegen Armut und werden nun durchaus sehr kritisch betrachtet.
Tatsächlich kann sich auch die Haltung gegenüber den Menschenrechten ändern. Denn wenn die Auftraggeber eines Lieferanten das Thema als wichtig betrachten, ihre Partner hierzu verpflichten und dies noch kontrollieren, dann hat dies eindeutig Auswirkungen. Diese werden sicherlich stärker sein als staatliche Interventionen in strukturschwachen Ländern. Aber: Man darf jedoch nicht auf schnelle Erfolge hoffen und wird einen langen Atem brauchen.
Tipps: Zwang zum Vorteil wenden
Um die bürokratischen Belastungen durch das Lieferkettengesetz zum Vorteil für das Unternehmen zu verändern, ist die PR-Regel „Tue Gutes und rede darüber“ der richtige Ansatz. Zahlreiche Kampagnen haben gezeigt, wie wichtig Menschenrechte in den Medien genommen werden.
Unternehmen sollten Kompetenz aufbauen oder darauf zurückgreifen können, um die Anforderungen des LkSG zu überwachen. Positiver Begleiteffekt: Unternehmen werden so für sich anbahnende Krisen in Zulieferländern frühzeitig sensibilisiert.
Auch auf den Produkten, in Geschäftsberichten und der Homepage lässt sich auf die Verantwortung zum Thema Menschenrechte hinweisen. Dann ergibt sich aus den Pflichten des LkSG zugleich ein PR-Effekt, der leicht den bürokratischen Aufwand übersteigen kann. Nicht zuletzt ist dieses Engagement ein wichtiger Beitrag für die betroffenen Menschen in den Zuliefererbetrieben.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes!
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