Clarius.LegalNewsroom
- 06.09.24
- Lesedauer: 4 Minuten
HINWEISGEBERSCHUTZGESETZ:Sonst steht plötzlich die Polizei vor der Tür
von Dr. Markus Hülper, Rechtsanwalt
Die Anzeige wegen gewerbsmäßigen Betrugs und der Beihilfe zum Betrug enthielt detaillierte Angaben zu Personalien der Verdächtigen, zu Tatort und Tatzeitpunkten. Sie hatte nur einen Schönheitsfehler: Sie ging anonym ein. Egal, urteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth am 14. Februar 2024 (Az. 18 Qs 49/23). Es erließ eine Durchsuchungsanordnung auf Grundlage der Anzeige, die über ein externes Hinweisgebersystem einging. Das Gericht stellte klar, dass anonyme Anzeigen als Grundlage für strafprozessuale Maßnahmen wie Durchsuchungen zulässig sind, sofern sie von beträchtlicher sachlicher Qualität sind oder mit schlüssigem Tatsachenmaterial untermauert werden. Die Anzeige muss also genügend konkrete und überprüfbare Informationen enthalten, um einen Anfangsverdacht zu begründen. Im vorliegenden Fall enthielt sie genügend sachkundige Details, zudem wurde auf Nachfragen der Ermittlungsbehörden zuverlässig reagiert.
Nicht alle Beschäftigten verhalten sich jederzeit rechtskonform. Doch was können ihre Kolleginnen und Kollegen tun, wenn sie Fehlverhalten bei ihrem Arbeitgeber beobachten? Sollen sie als sogenannte Whistleblower zur Polizei gehen? Der Gesetzgeber schlägt eine Alternative vor. Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) verpflichtet Unternehmen ab 50 Beschäftigten, interne Meldestellen einzurichten, um Hinweise auf Rechtsverstöße zu ermöglichen. Die Hinweisgeber können anonym bleiben.
Die Gefahr durch Whistleblower
Viele Arbeitgeber hadern damit, interne Meldestellen für Whistleblower einzurichten. Der Grund ist nachvollziehbar: Allein die Existenz einer solchen Meldestelle suggeriert, es könnte nicht alles ordnungsgemäß laufen. Trotzdem ist es gesetzlich vorgeschrieben und auch sinnvoll, eine interne Anlaufstelle zu haben – selbst (oder gerade!), falls sich niemand meldet. Werden Hinweise gegen mögliche Verstöße weder auf- noch ernst genommen oder nicht ordnungsgemäß bearbeitet, ergeben sich erhebliche Risiken für Unternehmen:
- Reputation: Anonyme Hinweise können, wenn sie öffentlich werden, die Reputation eines Unternehmens erheblich schädigen, selbst wenn sich die Vorwürfe später als unbegründet herausstellen. Falls ein Unternehmen keine geeignete interne Meldestelle vorhält, wenden sich Hinweisgeber an externe (behördliche) Meldestellen. Dem Unternehmen wird dadurch die wertvolle Gelegenheit genommen, durch interne Ermittlungen den Sachverhalt zu klären und Missstände rechtzeitig zu beseitigen.
- Rechtliche Folgen: Fehlende oder unzureichende Reaktionen auf Hinweise können zu straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen führen. Wie das Urteil zeigt, können anonyme Hinweise durchaus Grundlage für Durchsuchungsanordnungen und andere Zwangsmaßnahmen sein.
- Finanzielle Belastungen: Die Verteidigung gegen Anschuldigungen und die Aufarbeitung interner Missstände können hohe Kosten verursachen.
Vorteile einer internen Meldestelle
Die Alternative ist augenfällig und ist, so fordert es der Gesetzgeber, für Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten eh verpflichtend: die interne Meldestelle. Eine gut strukturierte Anlaufstelle für Whistleblower bietet zahlreiche Vorteile, um den genannten Risiken zu begegnen:
- Vertrauensbildung: Eine interne Meldestelle, die ihre Aufgabe erkennbar annimmt schafft Vertrauen bei den Mitarbeitern, dass Hinweise ernst genommen und vertraulich behandelt werden.
- Frühwarnsystem: Durch das frühzeitige Erkennen und Bearbeiten von Hinweisen können Probleme intern gelöst werden, bevor sie eskalieren und extern gemeldet werden.
- Rechtliche Konformität: Unternehmen, die über eine funktionierende interne Meldestelle verfügen, zeigen, dass sie gesetzliche Vorgaben ernst nehmen und aktiv zur Einhaltung von Compliance beitragen.
Entscheidend für den Erfolg: anonyme Meldekanäle
Wer Missstände meldet, muss Repressalien befürchten. Deshalb ist die Möglichkeit, Hinweise anonym abzugeben, ein wichtiger Aspekt für interne Meldestellen, um die Hemmschwelle für Whistleblower zu senken. Die Vertraulichkeit bietet zusätzlichen Schutz für Hinweisgeber, was insbesondere bei sensiblen Themen wichtig ist.
Studien zeigen, dass die Anzahl der eingehenden Hinweise steigt, wenn Anonymität gewährleistet wird. Mitarbeiter fühlen sich dann sicherer, wenn sie Missstände melden. Gleichwohl muss die interne Meldestelle erst bewiesen haben, dass sie die Anonymität der Mitarbeiter tatsächlich bewahrt – auch bei Druck von oben. Damit es dieses (von potenziellen Whistleblowern vielleicht auch nur unterstellte) Problem erst gar nicht entsteht, wird die Meldestelle gern an einen anwaltlichen Ombudsservice ausgelagert.
Auslagerung der Meldestelle und anwaltlicher Ombudsservice
Kann eine interne Meldestelle überhaupt neutral sein? Wer sich auf keine Diskussion darüber einlassen mag, kann deren Aufgaben an einen externen anwaltlichen Ombudsservice auslagern. Das bietet zusätzliche Vorteile:
- Neutralität und Unabhängigkeit: Ein externer Ombudsservice wird von den Mitarbeitern als neutrale und unabhängige Instanz wahrgenommen. Er senkt dadurch die Hemmschwelle, Hinweise zu geben.
- Kompetenz und Erfahrung: Anwälte, die als Ombudspersonen fungieren, verfügen über die notwendige rechtliche Expertise und Erfahrung im Umgang mit sensiblen Hinweisen und der Durchführung von Untersuchungen.
- Schutz vor Repressalien: Ein externer Ombudsservice kann den Hinweisgeber besser schützen und seine Anonymität gewährleisten, insbesondere bei schwerwiegenden Vorwürfen.
- Effizienz: Durch die Auslagerung können Unternehmen Ressourcen sparen und sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, während die Ombudsperson die Meldungen professionell und diskret bearbeitet.
Risiken früh erkennen – und klären
Das Urteil des LG Nürnberg-Fürth zeigt die Bedeutung und die potenziellen Auswirkungen anonymer Hinweise auf Unternehmen. Eine professionelle interne Meldestelle ist ein essenzielles Instrument, um rechtzeitig auf Hinweise reagieren zu können und die damit verbundenen Risiken zu minimieren. Die Auslagerung dieser Funktion an einen externen anwaltlichen Ombudsservice bietet zusätzliche Vorteile in Bezug auf Neutralität, Kompetenz und Schutz der Hinweisgeber. Unternehmen sollten daher ernsthaft in die Entwicklung und Implementierung solider Meldeprozesse investieren, um sich vor den möglichen negativen Konsequenzen zu schützen und eine Kultur der Offenheit und Transparenz zu fördern.
Die digitale Meldestelle von CLARIUS.LEGAL erfüllt alle gesetzlichen Anforderungen und bietet eine Vielzahl von Meldekanälen – selbstverständlich auch anonyme. Optional stellen wir einen anwaltlichen Ombudsservice zur Verfügung, der die gewissenhafte Prüfung und Bearbeitung eingehender Hinweise gewährleistet – damit es erst gar nicht zu einer unerwünschten Eskalation kommt.